Buchbesprechung: Und eisig weht der kalte Wind

Buchbesprechung:

„Ricardo Lenzi Laubinger: UND EISIG WEHT DER KALTE WIND. Das Schicksal einer deutschen Sinti-Familie.“ Erschienen 2019 im KLAK-Verlag.

Der Autor Ricardo Lenzi Laubinger ist Vorsitzender der Sinti-Union Hessen und vertritt die Interessen der Deutschen Sinti.

Millionen von Menschen wurden unter der Nazidiktatur in Deutschland in den Konzentrationslagern ermordet, zu Tode gequält oder in den Gaskammern getötet, bis im Mai 1945 die Alliierten der Naziherrschaft ein Ende setzten. Laubinger erzählt das Schicksal seiner Eltern und seiner Verwandten, die mehrere Jahre in diesen Lagern interniert waren. Er schildert, was seine Eltern und Verwandten, die ihre Internierung in den Konzentrationslagern überlebten, von dieser Zeit berichtet haben. Er beschreibt auch das Leben seiner Familie in Deutschland in den 1920er Jahren: Sein Großvater Emil Weiß war ein bekannter Musiker. Er lebte mit seiner Familie in Hamburg ein gut bürgerliches Leben. Die ganze Familie bestand aus hochbegabten Musikern und wurde damals in Hamburg hoch angesehen und geschätzt. Unter der Nazidiktatur wurden dann alle Familienmitglieder verhaftet, verschleppt und in die Konzentrationslager gebracht, wo fast alle von ihnen getötet wurden.

Wie es nach 1945 weiterging, wie es seinen Eltern erging und wie es auch ihm selbst und anderen Mitgliedern der Familie bis heute ergangen ist, auch das hat Ricardo Lenzi Laubinger in seinem Buch festgehalten.

Laubinger, geboren 1959, ging in Wiesbaden zur Schule. Dort wurde er in der Heinrich-von-Kleist-Schule als Erstklässler noch Mitte der 60er Jahre von einem Lehrer schwer misshandelt, weil der Lehrer davon überzeugt war, dass man „Zigeuner“ so behandeln müsse.

Sinti und Roma werden bis heute diskriminiert und angegriffen von Menschen, die noch immer die Ideologie der Nazis in ihren Köpfen haben. Und meiner Meinung nach sollten vor allem die Menschen, die jetzt in Deutschland leben, ein Buch wie dieses von Ricardo Lenzi Laubinger unbedingt gelesen haben.

Denn es zeigt klar und deutlich, was Naziherrschaft und Naziideologie bedeuten. Und diese Ideologie mit all ihren Konsequenzen zu verstehen ist umso wichtiger, da es heute wieder Politiker in Deutschland gibt, die diese Ideologie erneut verbreiten und auch dementsprechend handeln.

Wissenschaftlich bewiesen ist, dass es keine verschiedenen Menschenrassen gibt. Mit den Nürnberger Rassegesetzen von 1935 konstruierten die Nazis ganz einfach Kategorien von verschiedenen Rassen und deklarierten Juden dann als Untermenschen, als biologisch minderwertig und unerwünscht, um sie später in großer Zahl zu ermorden. Als minderwertig wurden ebenso auch Sinti, Roma und Menschen mit Behinderungen eingestuft. Auch sie wurden in den Konzentrationslagern getötet.

Die Abwertung und Anfeindung von verschiedenen Bevölkerungsgruppen erleben wir in Deutschland heute  wieder — vor allem durch die Politiker und durch die Politik der AfD. Anstatt von Rassen ist bei der AfD heute von Ethnien die Rede, die wegen ihrer angeblichen natürlichen Verschiedenheit voneinander getrennt gehalten werden müssten. Dementsprechend werden Zuwanderer, insbesondere aus Afrika und dem arabischen Raum als unerwünscht erklärt und schlecht gemacht und Flüchtlinge allgemein diskriminiert und angefeindet.

In ihrem Wahlprogramm für die Bundestagswahl fordert die AfD eine „Minuszuwanderung“(1). Sollte die Partei an die Macht kommen, will Björn Höcke jährlich 200.000 Zuwanderer aus Deutschland ausweisen (2). Er lässt dabei offen, wie das erfolgen soll. Vor dem Hintergrund, dass in Deutschland rund ein Viertel der Bevölkerung (knapp 20 Mio.) einen Migrationshintergrund hat (etwa die Hälfte davon auch einen deutschen Pass), kann man sich vorstellen, was diese von Höcke geforderte Vertreibungspolitik bedeuten würde.

Ebenso wie die Nazis damals, operiert auch die AfD heute mit Hass, Hetze und Lügen und sie zielt darauf ab, unsere Demokratie zu zerstören. Nur wenn wir aus der Geschichte lernen, können wir diese Entwicklung aufhalten. Es ist höchste Zeit. In zwei deutschen Bundesländern ist die AfD bereits zweitstärkste Kraft in den Landesparlamenten. Ihr Einfluss muss schnellstens zurückgedrängt werden. Alle Bürger sind heute dazu aufgefordert, sich zu engagieren und unsere Demokratie zu verteidigen.

Juni 2021, geschrieben von Angelika, Oma gegen Rechts Frankfurt am Main.

Anmerkungen:

  • siehe „Schwarzbuch AfD, Fakten, Figuren, Hintergründe“, Correctiv.Org, 2017, S. 51
  • ebenda, S.52/53
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