Rede von Jutta Shaikh, Omas gegen Rechts,
gehalten am 27.2.2021 anlässlich der Veranstaltung „Menschenkette um die Paulskirche“
In der Nacht vom 27. auf den 28. Februar 1933 brannte der Reichstag in Berlin.
Am nächsten Tag wurde bereits die sogenannte Reichstagsbrandverordnung erlassen, es sieht so aus als wäre sie schon vorbereitet aus einer Schublade gezogen worden.
Mit dieser Verordnung wurden alle demokratischen Grundrechte außer Kraft gesetzt, Meinungs- und Pressefreiheit abgeschafft und innerhalb weniger Wochen 25000 politische Gegner gejagt, verhaftet, verschleppt und gefoltert. Viele überlebten es nicht. Der Schritt vom Rechtsstaat zum Unrechtsstaat war vollzogen.
Warum stehen wir heute hier unter dem Motto „Aus der Vergangenheit lernen – Demokratie schützen“?
Wir stehen heute hier, weil der steigende Rechtsextremismus, weil Parteien wie die AfD erschreckende Parallelen zu den dreißiger Jahren zeigen – wir stehen heute hier um vor diesen Gefahren zu warnen und um unsere parlamentarische Demokratie zu schützen.
Damals wie heute hatten viele Leute wirtschaftliche Probleme und Zukunftsängste. Damals als Folge des 1. Weltkrieges und der Weltwirtschaftskrise; heute ängstigt die Leute die Pandemie, der Klimawandel, aber es gibt auch wirtschaftliche Zukunftsängste.
Damals wie heute haben diese Ängste zum Aufblühen von Verschwörungsmythen geführt. Damals wie heute haben Rechtsextreme Fanatiker diese Verschwörungsgeschichten verbreitet, um den bereits verängstigen Leuten noch mehr Angst einzujagen und um ihnen dann angeblich einfache Lösungen, vor allem aber angeblich Schuldige zu nennen. Damals wie heute führte der Anstieg solcher Ideologien zu wachsendem Antisemitismus, zu Judenhass. Solche Verschwörungsmythen gefährden nicht nur unsere Gesundheit, sondern sie verbreiten mit ihrer Hetze das Gift von Hass und Gewalt. Sie spalten die Gesellschaft und zerstören sie um ihre eigenen machtpolitischen Interessen durchzusetzen. Wir stehen hier, um zu zeigen, dass wir das nicht zulassen werden.
Damals wie heute versuchten Politiker den sogenannten „Biodeutschen“ einzureden, sie seien die bessere Rasse. In den letzten Jahren wurden Mitbürger gejagt, verletzt und getötet nur weil sie nicht „deutsch“ aussahen. Ein trauriger HÖHEPUNKT die Morde von Hanau. Wir stehen hier, weil wir unsere Stimme erheben um laut und deutlich kundzutun, dass wir Rechtsextremismus und Gewalt nicht tolerieren werden, dass die Opfer unsere Mitbürger waren und keine Fremden, dass wir uns mit aller Entschiedenheit gegen jegliche Art von Rassismus und Diskriminierung einsetzen werden, dafür, dass das im Grundgesetz garantierten Recht befolgt wird, wonach kein Mitbürger wegen seiner Herkunft, Hautfarbe, Religion oder Gender diskriminiert werden darf.
Damals wie heute versuchen Verschwörungsideologen, Rechtspopulisten und Rechtsextremisten die freien Medien als „Lügenpresse“ zu diffamieren, denn dadurch vermeiden sie zu Kritiken Stellung zu nehmen. Sie nutzen die bestehende Meinungsfreiheit, um Hass und Hetze online oder direkt zu verbreiten, aber sie tolerieren selbst keine andere Meinung. Wir stehen hier um kundzutun, dass Hass und Hetze keine Meinung ist, sondern eine Straftat und wir für freie Medien eintreten.
Damals gab es Parteien, die gedacht haben, sie können Hitler und die NSDAP zähmen, indem sie mit Ihnen zusammenarbeiten und sie in die Regierungsverantwortung nehmen. Auch heute gibt es Politiker anderer Parteien, die mit dem Gedanken liebäugeln, mit der AfD zusammenarbeiten, es würde schon nicht so schlimm werden. Wir stehen hier um laut zu warnen – dies ist nicht möglich. Die AfD ist keine Protestpartei, sie ist keine demokratische Alternative mit der man zusammenarbeiten kann, auch nicht, wenn sie demokratisch gewählt wurde. Sie lässt sich nicht zähmen – hören Sie nur die Reden von Höcke an, dann wissen Sie es! Ihr Ziel ist es unsere freiheitliche parlamentarische Demokratie zu zerstören, einen Unrechtsstaat zu schaffen, aber wir werden das nicht zulassen.
Wir stehen hier, weil wir wollen, dass es der Bevölkerung in Deutschland gut geht – und nicht wie die AfD, deren Spitzenpolitiker sagen, wenn sie glauben, dass niemand zuhört „Deutschland muss es schlecht gehen, dann wird es der AfD besser gehen“.
In unserer Gesellschaft gibt es ohne Zweifel viele Probleme, die wachsende Schere zwischen arm und reich, Probleme im Gesundheitswesen, in der Bildung, im Wohnungsbau, in der Klimapolitik usw. Es bedarf vieler Verbesserungen. Und wir werden diese Verbesserungen von unseren Politikern einfordern, aber wir sind für Reformen und nicht für Zerstörung. Rechtsextremisten wollen spalten, Hass und Hetze verbreiten, zerstören, um ihr totalitäres System danach aufzubauen. Wir stehen hier, alt aber nicht stumm, um der schweigenden Mehrheit der Bevölkerung Mut zu machen, ihre Stimme gleichfalls gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Intoleranz zu erheben, um unsere freiheitliche rechtsstaatliche parlamentarische Demokratie zu schützen, damit auch in Zukunft das oberste Prinzip unserer Verfassung bleibt: „Die Würde des Menschen ist unantastbar“.