35 Jahre Deutsche Einheit Festakt in der Paulskirche Frankfurt
In einer Feierstunde in der Paulskirche wurden am Vormittag des 3. Oktober die friedliche Revolution von 1989 und die Wiedervereinigung 1990 gewürdigt. Eingangs sprach Oberbürgermeister Mike Josef. Er erinnerte wie er den 3. Oktober 1990 und ein Jahr zuvor die Maueröffnung, in Frankfurt am Main erlebte. Die Euphorie im Jahr der Wiedervereinigung war groß. Zum Abschluss sagte Josef, die richtige Einheit in den Herzen und Köpfen, das Zusammenkommen und Brückenbauen ist kontinuierliche, harte Arbeit, denn oft müssen wir auch heute, 35 Jahre danach Ressentiments und Vorbehalte überwinden.
Die diesjährige eindrucksvolle Festrede in der Paulskirche hielt Pfarrer i.R. Christian Wolff. Wolff war von 1992 bis zu seinem Ruhestand im Jahr 2014 Pfarrer an der Thomaskirche in der Partnerstadt Leipzig. Wolff sagte, trotz aller Schwierigkeiten ist die Wiedervereinigung das Beste gewesen, was beiden Teilen Deutschlands und Europa passieren konnte, sagte Wolff. Zugleich zog er aber auch eine kritische Bilanz der Geschichte seit der Wiedervereinigung. Zwar seien in manchen Teilen Ostdeutschlands tatsächlich „blühende Landschaften“ entstanden, doch sei es damals versäumt worden, „die radikalen Veränderungen, die mit Verlusterfahrungen – Arbeit, Wohnung, familiäre Bindungen – verbunden waren, mit dem Aufbruch zur Demokratie und Rechtsstaatlichkeit in Einklang zu bringen. Alles Dinge mit denen Westdeutsche in Neunzigerjahre nicht konfrontiert waren. Dies wurde und wird teils noch heute außer Acht gelassen. Zwar sei in Deutschland keine „neue Mauer“ entstanden, doch benötigt es noch manches um zusammenzuwachsen. Ich sehe viele neue Aufgaben, viele Probleme, die wir nur gemeinsam lösen können: vor Ort, in Ost und West, in Deutschland, demokratisch, europäisch. Nötig sei dringend eine dem einzelnen Menschen zugewandte, interventionistische, lösungsorientierte Bildungs-, Sozial- und Integrationspolitik – insbesondere im ländlichen Raum und in den prekären Stadtteilen, sagte Wolff.
Die anschließende Podiumsdiskussion an welcher Astrid Baumann (ehemalige Präsidentin des OLG Thüringen), Christian Wolff (Pfarrer i.R., Leipzig) und Anna Kassautzki (Staatswissenschaftlerin und ehem. Mitglied des Bundestages) teilnahmen wurde moderiert von Marion Kuchenny.
P.s. Persönliche Anmerkung: „Bei der Festrede von Christian Wolff habe ich sehr oft innerlich zugestimmt. Auch als er erzählte wie er damals als Westdeutscher nach Ostdeutschland ging, die Erfahrungen damals und heute. An der anschließenden Podoumsdiskussion waren drei Teilnehmende, alle drei sozialisiert in Westdeutschland, lebend seit drei Jahrzehnten in Thüringen, Sachsen und Mecklenburg Vorpommern. Dort sicher auch angekommen. Sie sprachen über die Wiedervereinigung, ihre Erfahrungen, positive wie negative, ihren Werdegang. Tja und ich, eine sozialisierte in Ostdeutschland, Thüringen und Sachsen Anhalt, seit 36 Jahren in Frankfurt am Main lebend und sich hier heimatlich fühlend, saß als Gästin in der Paulskirche und lauschte. Ab und zu dachte ich bei mir: „Hm, schade, wieder niemand aus Ostdeutschland auf dem Podium mit dabei. Leider heute nach 35 Jahren immer noch nicht untypisch.“




